Dienstag, Oktober 04, 2016

Ein Wochenende

in Nürnberg.

Vor einigen Wochen erhielt ich einen Brief, in dem meine beiden Schwestern mitteilten, dass sie es für eine gute Idee hielten, das Wochenende vor dem Tag der Deutschen Einheit gemeinsam incl. Schwager in Nürnberg zu verbringen, Würzburg und Heidelberg seien ausgebucht. Die Hotelreservierung hatten sie gleich beigefügt.

Entweder kennen mich beide Schwestern nicht, oder sie meinten, sie müssten mal was machen, was nicht meinem üblichen Gehabe entspricht, das ging aus dem Schreiben nicht hervor, jedenfalls wurde ich am Samstag in aller Herrgottsfrühe abgeholt, nachdem ich am Abend vorher mit der Freundin noch darüber gescherzt hatte, ob das wohl was für mich sein würde ...

Was kann man zwei Tage lang in Nürnberg machen? War das nicht nach WK II zu 95% kaputt, so dass nichts Altes mehr zu sehen ist? Ist Nürnberg überhaupt eine Ausflugsstadt?

Sagen wir mal so: in 2 Tagen kann man so viel ansehen, dass einem die Füße weh tun ... und es gibt sehr schicke Sachen zu sehen.

Kirchen bis zum Abwinken. Warum wurden auf so kleinem Terrain so viele so große Kirchen gebaut??? Andererseits sind Kirchen tatsächlich ein Hort der Ruhe, wenn man erst einmal hinein gegangen ist. Die Frauenkirche, die Kirche St. Lorenz, die aussieht, als sei sie der gotischen Bauweise in Frankreich entsprungen, St. Sebald wurden mit Sicherheit besichtigt, weitere Kirchen verlieren sich dann in der Masse. Ich muss da nochmal nachfragen.

Interessant ist im Vorbeigehen, wie die Nürnberger mit den Zerstörungen des WK II umgingen.
Anstatt sich darüber Gedanken zu machen, wie man alles vollständig restaurieren könnte, wurden in Nürnberg die Gebäude wieder aufgebaut und das an Schmuck angebracht, was heil aus dem Schutt geborgen werden konnte. Und so kommt es, dass an einer Wand in einer Kirche überhaupt nichts Schmückendes ist, außer einer Figur, die früher mal Teil eines Ensembles gewesen sein muss, das es aber nicht mehr gibt, und die nun tapfer alleine die Fahne hoch hält.
Nicht nur in Kirchen ist das so. Ganze Hausfassaden sind ganz unmittelalterlich glatt und dann ist da mittendrin oder an einer Hausecke eine Figur, die noch ganz leicht andeutet, dass es in Nürnberg mal eine von Heiligen und Abbildungen nur so strotzende Architektur gegeben haben muss.

Andererseits ist nicht von der Hand zu weisen, dass die noch vorhandenen mittelalterlichen Straßenzugsstücke eng und verwinkelt waren, dass die mittelalterlichen Gebäude klein und immer wieder umgebaut aussahen, und dass mit dem Wiederaufbau eine modernere Infrastruktur installiert werden konnte. Solche Straßenzüge können in ganz kleinem Umfang besichtigt werden.
Interesant auch deshalb, weil im Internet u. a. zu lesen ist, dass die erhaltenen historischen Gebäude bis in die 1970er Jahre hinein Abortgruben hatte, die wöchentlich von Kloake-Wagen angefahren wurden.
Meine Eltern hatten in ihrem Haus zuerst auch eine solche Klärgrube, die öffentlich Kanalisation reichte einfach noch nicht bis da hin, wo sie ein Haus bauen wollten, und etwa einmal im Monat kam der Entsorger ... was für ein Gestank!

Merkt man, dass ich nichts von Erhalt von Überholtem halte?

Andererseits waren zwei Tage dann doch fast zu kurz, wenn man davon absieht, dass die Füße anfangen, eine runde Form anzunehmen, um besser abrollen zu können ...

Spielzeugmuseum, Albrecht-Dürer-Haus, Kaiserburg, Hans-Sachs-Brunnen (der Künstler hatte eindeutig was genommen, als er den kreierte!), Altstadtensemble, Unschlitthaus, Henkersteg, Hauptplatz, Nürnberger Parteitagsgelände, Bratwürste ohne Ende, sehr leckere Schäufele im Raubritter und ein von einer im gleichen Restaurant speisenden Reisegruppe bestellter Minnesänger, der uns kurzerhand adoptierte, in der Hoffnung, seine Einkünfte zu steigern, Apple Crumble, ein Dürerhotel, in dem die Betten zwar ungewohnt weich und das Personal fränkisch rustikal sich gaben, zum Übernachten aber eine sehr schön zentral gelegene Herberge mit echt empfehlenswertem Frühstück es ist.
Die Stadtrundfahrt haben wir nicht machen können, der Bus war schon voll, aber dann wären wir vermutlich nicht rein ins Dokumentationszentrum auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände.
Es ist gar nichts aufregend Neues, was es dort zu sehen gibt. Alles ist schon Mal berichtet, geschildert, dokumentiert, und hier in aller Sachlichkeit nüchtern präsentiert.
Trotzdem sollten Schüler heutzutage mal da hin fahren, wenn es mal wieder einen Wandertag zu bestücken gilt. So weit ist Nürnberg wirklich nicht ... ... ... wenn nicht gerade Stau ist und die Anfahrt 4 Stunden dauert statt 2,5.
Das Germanische Nationalmuseum lehnte Schwager schließlich ab, er meinte, germanische Überbleibsel habe er schon genug gesehen, ebenso erging es dem Stadtmuseum zur Nürnberger Geschichte.

Alles ungeplant und in schönster Harmonie mit Schwestern und Schwager ...

Es ist jetzt nicht so, dass ich in Zukunft meine Wochenenden mit Städtereisen verbringen werde ... so weit geht der Enthusiasmus dann doch nicht, aber es war doch ein unerwartet nettes Wochenende.
Besonders, da es mitten in einen 14-tägigen Urlaub eingebettet sich fand. Genug Zeit also, sich vorher darauf einzustellen und nachher einen Ausklang zu finden ... ... ...

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